Ich empfinde Lesen immer wieder als ein Abtauchen in andere Welten. Es gibt Bücher, die uns in eine fiktionalisierte Version unserer eigenen Welt mitnehmen. Das sind für mich Bücher, die vor allem die persönliche Wahrnehmung, die persönliche Welt eines Protagonisten/ einer Protagonistin erzählen, die Romane. Eine andere Welt kann allerdings auch bedeuten, dass eine im wahrsten Sinne des Wortes andere, alternative Welt erzählt wird. Dies passiert in Fantasy oder Science Fiction-Büchern. Manche Bücher kombinieren diese beiden Arten von Buchwelt miteinander. Diese Kombination aus fiktionalisierter, aber dennoch realer Welt und parallel existierender zweiter, fantastischer Welt kann sehr unterschiedlich aussehen und auf ganz viele verschiedene Arten passieren. Es ist immer spannend sich anzuschauen, wie die Welten in Verbindung stehen, sich beeinflussen und ineinander übergehen.
In diesem Beitrag möchte ich euch meine 10 Lieblings-Parallelwelten vorstellen.
10. Stephen King – Der Anschlag
Platz Zehn dieser Liste ist tatsächlich direkt ein Sonderfall. Denn in Der Anschlag ist die Welt, die parallel zu unserer steht keine komplett andere, fantastische Welt, sondern vielmehr eine alternative Zeitlinie. Protagonist Jacob Eppings Aufgabe ist es nämlich in die Vergangenheit zu reisen, um das Attentat auf den US-Präsidenten Kennedy zu verhindern. Es entstehen so im Verlaufe des Buches unterschiedliche Szenarien und alternative Realitäten, die allesamt spannend erzählt sind und so anders sind, dass ich sie hier als Alternativwelt gezählt habe. Mir hat dieses Buch wirklich gefallen und ich fand die Welten, die King sich vor stellt sehr interssant. Wie würde unsere Realität heute aussehen, wenn J. F. K. nicht ermordet worden wäre? Könnten einzelne Ereignisse in der Vergangenheit wirklich durch einen Schmetterlingseffekt ganz andere Welten erschaffen, wenn sie rückgängig gemacht werden könnten?
9. Ernest Cline – Ready Player One
Ready Player One erzählt von einer klassischeren Parallelwelt. In diesem Fall eine künstlich erzeugte: In der Zukunft ist unsere, die reale Welt so trist und unbelebbar geworden, dass die Reichen, die es sich leisten können, eine alternative, virtuelle Welt erschaffen haben. Diese Welt ist also dazu da der Realität entfliehen zu können. Sie ist wunderschön, bietet Bildung, Unterhaltung und vieles mehr. Der Kontrast zwischen den beiden wird toll erzählt und bietet Raum für viel Spannung, als in der virtuellen Parallelwelt eine Schnitzeljagd stattfindet, die entscheiden soll, wer in der realen Welt das Vermögen erben soll, dass diese virtuelle Wirklichkeit generiert.
8. Ursula Poznansky – Cryptos
Der Name Ursula Poznanski steht für mich immer wieder für wirklich spannende Geschichten und Spannungshöhepunkte. Und diese enstehen häufiger durch das Zusammenspiel von unserer und einer Parallelwelt. In Erebos ist es ein Computerspiel, das Anweisungen gibt, die in der realen Welt erfüllt werden müssen und in ihrem aktuellen Buch Cryptos sind es die virtuelle Welten, in die sich Menschen flüchten, in denen es plötzlich Probleme gibt. Die Prämisse ist sehr ähnlich, wie in Ready Player One, wird aber dadurch ergänzt, dass es hier verschiedene virtuelle Welten gibt, zwischen denen die Menschen sich entscheiden und zwischen denen sie hin und her wechseln können.
7. Cassandra Clare – Chroniken der Unterwelt
Die Chroniken der Unterwelt-Reihe geht nun einen anderen Weg, als die Plätze 10-8. Denn die Parallelwelt hier ist eine, die wirklich direkt gleichzeitig zu unserer existiert und nur für unsere menschlichen Augen unsichtbar ist. Eine andere Welt bedeutet hier also eher eine Subkultur in unserer realen Welt. Die Dynamik, die dadurch entsteht, ist daher eine ganz andere, aber ebenso spannend. Die sogenannten Schattenjäger müssen nämlich die Menschen vor ebendieser unsichtbaren Parallelwelt beschützen. Und Wesen, die eben nicht demonisch, sondern annährend menschlich sind, müssen ihr Leben so leben, dass sie von den Menschen unentdeckt bleiben. Gleichzeitig existiert aber doch eine komplett andere Dimension, aus der die Dämonen kommen. Ein interessantes Zusammenspiel und meiner Meinung nach toll umgesetzt.
6. Michael Ende – Die unendliche Geschichte
Wir wünschen uns doch alle manchmal nicht nur metaphorisch, sondern wortwörtlich in Büchern verschwinden zu können, oder? Diese Phantasie lässt Michael Ende in diesem Buch wahrwerden. Interessant ist dabei vor allem der Zusammenhang zwischen den Welten. Zu Beginn des Buches liest der Protagonist Sebastian „Die unendliche Geschichte“. Es wird einfach beschrieben, wie er liest und dann das Buch selber wiedergegeben. Doch im Verlauf des Buches nimmt Sebastian immer Einfluss auf die Parallelwelt des Buches, bis er selber ein Teil von ihr wird. Ein super interessanter Einsatz einer Parallelwelt. Die unendliche Geschichte ist meiner Meinung nach nicht ohne Grund ein Klassiker.
5. Kerstin Gier – Silber
Kerstin Gier ist eine meiner Lieblingsautorinnen. Sie hat einen tollen Humor und erschafft immer wieder Welten und Figuren, die man einfach liebgewinnen muss. Auch in Silber ist ihr das wieder gelungen. Die Parallelwelt funktioniert hier ebenfalls wieder ganz anders, als in den vorherigen Einträgen. Denn es geht um Träume. Die Silber-Trilogie nimmt das Phänomen des luziden Träumens und erweitert es. Luzides Träumen bedeutet zu träumen und sich dieser Tatsache bewusst zu sein. Oft kann der Träumer, sobald er feststellt, das er träumt, die Kontrolle übernehmen und den Weitergang des Traumes beeinflussen. In der Silbertrilogie wird hierdurch eine ganze Welt erschaffen. Denn hier können sich die Träumenden gegenseitig besuchen/in die Träume Anderer gehen. Außerdem haben die Träume im Verlaufe der Reihe direkte Auswirkungen auf die reale, wache Welt. Ein wirklich spannendes Konzept und eine fantastische Buchreihe.
4. C. S. Lewis – Die Chroniken von Narnia
Viele Fantasybücher spielen einfach direkt in einer erfundenen, fantastischen Welt. Narnia ist da anders. Die drei Pevensie-Geschwister kommen nämlich aus unserer Welt. Mitten im Krieg, als sie bei einem Professor auf dem Land einquartiert werden, um dort in Sicherheit zu sein, entdecken sie einen Wandschrank. Dieser Wandschrank funktioniert zeitweise als Portal in die Parallelwelt des Buches: Die fantastische Welt Narnia. In diesem Fall haben die Welten allerdings keinerlei Einfluss aufeinander.
3. J. K. Rowling – Harry Potter
J. K. Rowling hat eine der wohl bekanntesten Parallelwelten aller Zeiten geschaffen. Auch die Autorin von Harry Potter wählte allerdings eher das Konzept der Subkultur, die direkt in unserer Welt existiert und so auch in direktem Zusammenhang mit ihr steht. Die Zaubererwelt ist eine Welt mit ihren eigenen Gesetzen, Geschöpfen, Schulen und steht doch direkt in der realen Welt. Genau wie in den Chroniken der Unterwelt ist es auch hier die wichtigste Aufgabe diese Welt unendeckt von Muggeln – nicht-magischen Menschen – zu bleiben. Der Hogwarts-Express – der Zug, der die jungen Zauberschüler zur Schule bringt – fungiert hier in gewisser Weise tatsächlich wie ein Transportmittel und ein Übergang zwischen den Welten. Auf der einen Seite der ganz gewöhnliche, menschliche Bahhof Kings Cross, auf der anderen die Zaberschule Hogwarts, voller Magie, Fabelwesen und Zauberern.
Bereits in meiner letzten Top 10 Liste habe ich Cornelia Funke und ihre Tintenwelt an die erste Stelle gesetzt. Für mich ist sie eine fantastische geschichtenerzäherin, die es durch ihre tolle Sprache (wie in der letzten Liste erwähnt) auch immer wieder schafft tolle, realistisch wirkende Parallelwelten zu erzählen. Deswegen landen ihre beiden großen Jugendbuchreihen auch in dieser Liste ganz oben:
2. Cornelia Funke – Reckless
Den Übergang bildet ein Spiegel. Die eine Seite: unsere Welt. Normal. Die andere, die Spiegelwelt: Die Welt der Märchen. In jedem Buch ihrer Reckless-Reihe thematisiert Cornelia Funke Märchen aus einem anderen Teil der Welt. In der Welt hinter dem Spiegel sind sie real. Hier gibt es Schatzjäger, die die magischen Artefakte aus Märchen, wie zum Beispiel eine Strähne von Rapunzels Haar oder einen Knochen aus dem Haus einer Baba Jaga sammeln. Es gibt Goyle, Feen, Gestaltwandler und mehr.
1. Cornelia Funke – Tintenwelt
In der Tintenwelt ist wohl mit einer der interessantesten Übergänge und Zusammenhänge zwischen zwei Welten beschrieben. Denn auch in dieser Reihe gibt es einen Verlauf. Manche Menschen haben die Fähigeit durch lautes Vorlesen Objekte und Charaktere aus Büchern in unsere Welt hineinzulesen, lebendig zu machen. Den Übergang bildet hier also das Lesen als solches. Im Verlauf der Reihe dreht sich dieses Phänomen um: Es werden dann nicht nur Teile der Parallelwelt in unsere übertragen, sondern auch andersrum, bis schließlich die ganze Handlung in die Parallelwelt wechselt. Die Parallelwelt ist hierbei die Welt eines Buches. Die spannende Implikation ist also auch noch, dass es nicht nur eine Buchwelt gibt, in die man verschwinden könnte, sondern, das jedes Buch seine eigene Welt entstehen lässt. Was mich wieder zum Anfang bringt: Lesen ist abtauchen in fremde Welten 🙂 Steckt nicht wirklich in jedem Buch eine eigene Welt?