
Autorin: Amelie Fried
Verlag: Heyne
Erschienen: 31.08.2020
Seitenzahl: 496
ISBN: 978-3-453-27048-0
Unablässig quälte Julia sich mit der Frage, was sie tun sollte. (S. 322)
Darum gehts:
Julia ist Journalistin. Sie träumt von der großen Story, diese bis jetzt allerdings nicht aufgetaucht. Bis sie einen Hinweis auf sexuelle Übergriffe in einem bekannten Institut erhält. Denn auch wenn sie die #metoo-Debatte leid ist und zunächst nur wenig interessiert nachforscht, zeigt sich bald, dass hinter dieser Geschichte mehr steckt. Und als sich dann die Frage stellt, wie diese Fälle mit ihrem Bruder zusammenhängen, der vor mehreren Jahren verschwunden ist, ist sie plötzlich ist sie mittendrin.
Das sage ich…
...zum Inhalt:
Die #metoo-Debatte ist nach wie vor wichtig. Viele Missbrauchsfälle werden nach wie vor nicht gemeldet, Täter durch das Schweigen anderer gedeckt. Diese Ungerechtigkeit besteht nach wie vor und macht es wichtiger als je zuvor den Opfern Gehör zu verschaffen und sie ernst zu nehmen. Und trotzdem gibt es immer wieder auch die andere Seite: Frauen, die Feminismus bis zu Extremismus treiben und gegen alle Männer hetzen. Situationen, in denen ignoriert wird, dass Männer genau so Opfer sein können oder in denen Männer eben solchen extremen Feministen zum Opfer fallen und so defamiert werden. Ich kann es durchaus verstehen, wenn man es Leid ist diese Debatte immer wieder zu führen, denn das Thema ist komplex und eben nicht schwarz-weiß.
Für mich war es deswegen wirklich bemerkenswert, dass man das Thema von genau dieser Überdrüssigkeit der Debatte gegenüber angeht und eine Geschichte erzählt, die zeigt, wie wichtig es ist diese Debatte zu führen und nicht einfach eine Seite auszuwählen. In dieser Hinsicht fand ich dieses Buch wahnsinnig kraftvoll! Es zeigt eben keine Protagonistin, die als Frau sofort auf der Seite der Frauen steht und schafft es so im Verlauf des Buches aufzuzeigen, dass beide Seiten betrachtet und hinterfragt werden müssen. Gleichzeitig macht es die Korruption, die Machtverhältnisse und das Bestreben nach Geheimhaltung, die oft dazu führen, dass die Opfer mundtot gemacht werden nicht klein, sondern webt es in die Entwicklung der Protagonistin mit ein und zeigt diese Misstände deutlich auf.
Das Thema des sexuellen Missbrauchs ist aber nicht das einzige, denn der Hintergrund der Protaginistin spielt eine große Rolle und so ergeben sich sehr viele Handlungsstränge, die zwar gut miteinander verwoben werden, aber bei mir leider doch dazu geführt haben, dass ich es manchmal ein bisschen zu viel fand.
…zu der Protagonistin:
Ich fand es, wie schon angemerkt, wirklich eine interessante und gute Wahl eine Frau als Protagonistin zu wählen, die skeptisch ist und das Gefühl hat, das manche Frauen im Umgang mit Männern einfach überreagieren. Julia mit dieser Einstellung anfangen zu lassen gibt dem Leser die Möglichkeit ihr dabei zu folgen, wie sie diese Meinung verändert und differenziert.
Was ich allerdings sagen muss ist, dass Julias Hintergrund und ihre problematische Vergangenheit dazu geführt haben, dass es mir manchmal ein wenig zu viel wahr. An ihrer Figur wurden so viele Themen angesprochen, dass Ich „Die Spur des Schweigens“ manchmal als durcheinander emfunden habe und das Gefühl hatte es tritt nicht genau hervor, welches das zentrale Thema sein soll. In diesem Zusammenhang fand ich auch einige Entwicklungen wirklich unrealistisch, zum Beispiel, als im Zusammenhang mit Julias Bruder und seinem Verschwinden plötzlich Fakten und gegenstände zutage treten, die es eigentlich schon viel früher hätten tun müssen.
…zum Stil:
Amelie Frieds Stil lässt sich toll und locker lesen. Es gibt viel Dialog, was mir wirklich gut gefallen hat, da das Buch so wirklich temporeich erzählt ist.
Was mich wirklich gestört hat ist allerdings, dass die Erzählstimme teilweise sehr großen Einfluss darauf nimmt, wie man die Geschichte wahrnimmt, da diese eine teilweise sehr naive Haltung vetritt, was ich bei dieser Thematik wirklich unangemessen fand.
Außedem gibt es gerade gegen Ende ein paar Zeitsprünge, die meiner Meinung nach den Handlungsaublauf oft schwer nachzuvollziehen machen.
Heißt also:
Die Thematik ist spannend und wichtig, die Entwicklung der Protagonistin super. Mir hat jedoch trotzdem das gewisse Etwas gefehlt.