
Autorin: Olivia Dade
Verlag: Kyss
Erschienen: 17.5.2022
Seitenzahl: 596
ISBN: 978-3-499-00938-9
„Aber Beharrlichkeit allein konnte die Realität nicht verändern“ (S. 145)
Darum geht’s:
April ist dick. Und sie liebt Cosplay. Doch als sie eines davon im Internet veröffentlicht, hagelt es Kritik wegen ihrer Figur. Bis Marcus, der Schauspieler ihrer Lieblingsserie, aus der sie ein Kostüm nachgestellt hat, ihr öffentlich zu Hilfe kommt. Er lädt sie zu einem Date ein. Und sie lernt nicht nur eine ganz andere Seite kennen als die, die er der Öffentlichkeit zeigt – die beiden haben auch sofort Chemie.
Das sage ich…
…zum Inhalt:
Bücher, die einen Blick hinter die Kulissen geben, treffen meinen Geschmack immer sehr. Ich mag es, wenn Autor:innen mit dem Gedanken spielen, dass öffentliche Rolle und privater Mensch längst nicht immer gleich sind. Das gelingt hier sehr gut. Die Dynamik, die durch Aprils Bodenständigkeit und Marcus Leben im Rampenlicht entsteht, funktioniert toll. Es funkt und die Chemie ist eindeutig da. Außerdem hat mir sehr gut gefallen, dass die beiden Figuren schon etwas älter waren – so wirkten sie beide schon sehr viel sicherer in ihrem Stand im Job/in der Welt und im großen und ganzen als Menschen schon sehr gefestigt.
Ein großes Problem ist jedoch der Umgang mit dem Hauptthema des Textes. Aprils Übergewicht macht Fatshaming zu einem sehr zentralen Punkt des Buches. Leider nicht auf eine gute Art und Weise: Denn das Gefühl, das entsteht, ist, dass dieses Buch an dem, was es eigentlich vermitteln will, vorbei erzählt. Die Aussage des Textes kann man wohl mit „Es gibt verschiede Körperformen und das ist toll“,“Fatshaming ist in jeder Situation unangemessen“ oder auch „Niemanden außer dich selber geht dein Körper und wie er aussieht etwas an“ zusammenfassen. Was allerdings sowohl durch die impliziten Aussagen, die durch die Erzählweise getroffen werden, als auch durch die Charakterisierung von April als Figur und ihrer Beziehung zu Marcus passiert, ist, dass das genaue Gegenteil erreicht wird. Denn obwohl immer wieder betont wird, dass Aprils Figur kein großes Thema sein sollte, macht das Buch sie zu einem. Es werden negative Stereotypen über dicke Menschen bestätigt und ein Bild gezeichnet, dass für mich wenig mit Body-Positivity zu tun hatte. Dazu in den nächsten Abschnitten mehr.
…zu den Protagonisten
Wie bereits gesagt, wird vor allem durch die Charakterisierung von April die Hauptbotschaft des Buches verfehlt. Denn vor allem hierdurch werden die angemerkten negativen Stereotypen bestätigt und ihre Reaktionen auf das Verhalten anderer zeichnen sie teilweise als rücksichtslos und teilweise unverschämt. Sie betont immer wieder, dass sie mit ihrem Körper glücklich ist und sich nicht von anderen beeinflussen lassen möchte bzw. mit diesen Gedanken abgeschlossen hat. Trotzdem gibt es so viele Passagen, in denen sie genau das tut, was sie der Gesellschaft vorwirft und sich an den Standards anderer misst. Und ihre Reaktionen machen den Rest: Sie reagiert nicht nur verletzt und gereizt, wenn jemand ihren Lebensstil aktiv kommentiert, sondern auch, wenn es nicht direkt an sie gerichtet ist. Sie scheint allein durch die Erwähnung von Sport und/oder gesunder Ernährung angegriffen zu sein – Was dann allerdings absolut nichts mit Fatshaming zu tun hat, sondern mit einem Lebensstil. Hier bestätigt sie das negative und falsche Stereotyp, dass alle dicken Menschen aus den gleichen Gründen dick sind und das sie alle ungesund sind. Das beste Beispiel ist hier das erste Date – Marcus redet über seinen eigenen Lebensstil als Schauspieler und sein eigenes rigoroses Sportprogramm. April hört jedoch sofort raus, dass es ihm darum geht ihr vorzuschreiben mehr Sport zu machen.
Marcus auf der anderen Seite fand ich als Charakter wirklich gelungen. Er ist sehr vielschichtig, charismatisch und aufmerksam. Das Thema, das durch ihn angeschnitten wird, wird sehr viel besser gehandhabt: Marcus ist Legastheniker, womit er sich mit fast 40 einfach abgefunden hat. Trotzdem schafft es Olivia Dade sehr gut die Vorurteile und Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen deutlich zu machen und schreibt sehr feinfühlig über seine Entwicklung und seine Gedanken.
…zum Stil
Der Stil hat mir im großen und ganzen gut gefallen. Es war spannend mal wieder ein Buch zu lesen, dass in der dritten Person und im Präsenz erzählt ist.
Auch hier aber wieder Kritik zur Behandlung des Hauptthemas. Denn April beton immer wieder, dass sie einfach angenommen werden will, wie sie ist, und das ihre Figur nicht im Fokus stehen soll. Doch die Art und Weise, wie Marcus Blick auf sie aber auch ihre Selbstsicht von der Erzählstimme beschrieben wird, erreichen das Gegenteil – es wird so oft betont, dass sie rund oder weich ist, dass es fast ihre Haupteigenschaft zu sein scheint.
Fazit:
Eine an sich schöne Geschichte, die aber ganz massiv unter ihrer problematischen Behandlung der Thematik leidet.